Die Hölle in der Hölle des Todestraktes

Wir haben schon viel über die menschenverachtenden Umstände in den Todestrakten der USA berichtet (siehe z.B.: http://wp.me/p2X1th-1IB). Nun hat uns ein Bericht erreicht, der quasi von der Hölle in der Hölle erzählt. Ein Bereich im Todestrakt, der kaum an die Öffentlichkeit kommt. Dort werden die Gefangenen auf noch extremere Weise gefoltert. Besonders herausstellen möchten wir hier die Tatsache, dass laut diesem Bericht die Gefangenen immer wieder den Folgen des Einsatzes von Reizgas ausgesetzt sind.

Im folgenden der Gastartikel von Monika K., in dem sie über ihren Freund schreibt. Er befindet sich im Todestrakt von Lousiana. Dort gibt es neben der eh schon unmenschlichen Situation im Todestrakt sogar noch einen besonderen Bestrafungsbereich.
Es ist die Hölle in der Hölle!

Auf besonderen Wunsch verzichten wir auf die Namensnennung des Gefangenen.

Wir möchten uns auf diesem Weg bei Monika für ihr Engagement bedanken.

IHfL, Peter K.


tlSollte jemand der Meinung sein, dass die Bedingungen im Todestrakt die härtesten sind, der hat sich leider geirrt. Es gibt einen weitaus schlimmeren Ort innerhalb des Todestraktes, in dem wohl von den über 6000 Gefangenen im gesamten Gefängnis mindestens jeder 3. schon einmal gewesen ist.

Das Camp J ist ein Straflager, wie es schlimmer nicht sein könnte. Unter den Insassen heißt dieses Gebäude „Hundehütte“ und es hat tatsächlich mit dem „Leben wie ein Hund“ viele Gemeinsamkeiten.

Das Gefängnis stellt eine Liste mit Regeln auf, die im Todestrakt natürlich noch verschärfter sind, um den Gefangenen, die sowieso schon 23 Stunden auf ihrer Zelle verbringen müssen, das restliche Leben noch unerträglicher zu machen. Bei einigen dieser Regeln könnte man denken, sie wären für Kinder gemacht, weil die kleinsten Vergehen schon geahndet werden. Wenn man am Waschtag vergisst, seine Schmutzwäsche vor seine Zelle zu legen oder die Bestellung für den Kiosk vergessen hat, muss der Gefangene mit entsprechenden Konsequenzen rechnen.

Mein Brieffreund hat mir geschrieben, dass nicht alle Officer streng und hinterhältig sind, aber es gibt sie. So kommt es schon mal vor, dass durch die reine Willkür von Bediensteten ein Insasse so provoziert wird, dass er gegen eine der Regeln verstößt.

Eigentlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch der Letzte gegen eine Regel verstößt und er dann vom Disziplinargericht zum Straflager Camp J verurteilt wird.

Mein Brieffreund ist seit 2 Wochen jetzt dort in Camp J. Er hat mir darüber folgende Tatsachen geschrieben:

Auf dem Weg ins Straflager wurde meinem Freund die Uhr und seine I.D.-Card weggenommen, mit der Begründung, dass er diese Dinge nicht bräuchte bzw. ihm diese bei der Untersuchung sowieso abgenommen werden würden. Auf den Hinweis meines Freundes, dass er seine I.D.-Card für den Kiosk benötigt, bekam er hart zur Antwort: „Nein“.

Aus reiner Wut, dass sich mein Freund zu Wort meldete, zerbrach der Beamte den einzigen Kuli, der sich unter seinen kargen Privatdingen befand. Zum Glück konnte er ein paar Briefmarken gegen einen Stift von einem anderen Insassen eintauschen. Nun, es gab aber gar keine weitere Untersuchung und man teilte ihm seine Zelle zu. Die Maße der Zelle möchte ich erst gar nicht erwähnen, es sei nur so viel gesagt, dass jede Einzelzelle nochmal durch eine Wand geteilt wurde und heute für zwei Insassen gedacht ist.

Willkommen in der „Hundehütte“
Er schreibt von einer winzig kleinen Kabine, welche sich gleich rechts hinter seiner Zellentür befindet. Eine Kabine, in der man sich nur hineinstellen kann, so winzig ist sie. Die Wände ringsum sind hoch und die Tür dazu ist verschließbar. Ich will mir gar nicht erst vorstellen, dass er dort hinein gehen muss.

Hinter dieser kleinen Kabine befindet sich ein Metallgestell, was die Schlafstelle sein soll. Nein, es ist keine Matratze vorhanden, geschweige denn eine Decke oder Kissen.

Neben dem Metallgestell ist eine Toilette-Waschkombination. Es fehlte auch das Toilettenpapier. Das Wasser sieht schmutzig aus, also „Auf keinen Fall trinken“.

Das Gebäude sieht schmutzig und heruntergekommen aus. Die Menschen die dort arbeiten sind ebenfalls Gefangene, welche von anderen offenen Camps kommen und das Privileg der Arbeit erworben haben. Sie müssen täglich 12 Stunden arbeiten und haben es in der „Hundehütte“ schlechter getroffen, als auf den Feldern von Angola.

Mein Freund schreibt weiterhin, dass er sich vorgenommen hatte, so viel als möglich zu schlafen, damit die Zeit vergeht (dessen Gefühl er bald verlieren wird, weil er keine Uhr hat) aber an Schlaf ist ohne Matratze und bei dem Geschrei nicht zu denken. Tag und Nacht schreien die Insassen und nach einer Woche wusste mein Freund auch den Grund dafür.

Das Gebäude verfügt über zwei Etagen und ist jeweils in vier Gänge unterteilt. In der Nacht wird willkürlich in allen Gängen Reizgas versprüht, so dass mein Freund schon am ersten Morgen mit Husten, Halsschmerzen, Atemnot und brennenden Augen erwachte.

In der „Hundehütte“ kommt dieses Gas mehrmals täglich zum Einsatz, so kann man sich vorstellen, dass man Tag und Nacht dazu verdammt ist, diese chemische Luft einatmen zu müssen.

Man kann buchstäblich zusehen, wie die Gefangenen, einer nach dem anderen, sich optisch so verändern, dass sie bei ihrer Entlassung völlig anders aussehen. Nicht zuletzt liegt das aber auch daran, dass die Essensportionen gerade mal für ein Kind reichen würden (in zwei Wochen hat er schon 6 Pfund verloren), man ständig den täglichen Kämpfen von Gefangenen und Bediensteten ausgesetzt ist und deren Phantasien und Einfallsreichtum.

In der „Hundehütte“ sind sog. Level zu absolvieren. Insgesamt gibt es drei Level. Bei jedem Level, welches man erreicht, erleichtern sich die Bedingungen. Wie lange ein Level dauert, hängt vom eigenen Verhalten und der Stimmung der Bediensteten ab.

In Level I ist man rund um die Uhr nur auf seiner Zelle, darf weder auf den Hof, noch duschen gehen.

In allen drei Leveln gibt es weder Radio noch Fernsehen. Telefonieren ist ebenfalls verboten – NEIN, auch nicht einmal im Monat wie früher. Es wurde zu oft telefoniert, so beschloss man dies ganz zu verbieten.

Und falls jetzt jemand denken sollte, dass mein Freund nach einer Woche nun Toilettenpapier haben sollte, den muss ich jetzt genauso schocken, wie es auch mir erging. Bitte fragt mich jetzt nicht, wie die Jungs das mit dem Reinigen nach jedem Stuhlgang handhaben – ich kann es nicht sagen und den Bediensteten ist es völlig egal.

Aber, sie müssen mit den Konsequenzen des Toilettenpapierentzuges rechnen und so kommt es täglich zu den ekligsten, stinkendsten und lärmenden Auseinandersetzungen, die mitunter fast jedes mal eskalieren.

In der vergangenen Woche zog starker Rauch durch die Gänge. Jemand hatte versucht, seine Zelle abzubrennen. Natürlich war auch hier die Konsequenz das Reizgas, dessen die umliegenden Zelleninsassen ebenfalls ausgeliefert waren und es bedeutete einen Level tiefer für den Brandstifter.

Ein weiterer Grund für die Wesens- und Verhaltensveränderungen der Gefangenen ist eine synthetische Droge namens: „MOTO“. Diese Droge muss sehr starke Auswirkungen haben, weil einige Gefangene halb nackt herumlaufen bzw. ihr Verstand nichts mehr mit der Realität gemein hat.

Um die halbnackten, „verrückten“ Menschen kümmert sich Niemand. Sie sind sich selbst überlassen.

In Level II, wo mein Freund sich befindet, darf man am Tag für eine Stunde auf den Hof gehen, wenn man möchte. Verzichtet man auf den Hofgang, bekommt man als Belohnung eine Zigarette vom Bediensteten. Dabei spielt es keine Rolle, ob man Raucher oder Nichtraucher ist. Mein Freund sammelte ein paar Zigaretten und wollte sie gegen etwas Brauchbares eintauschen aber es besaß keiner etwas, was er dringend benötigt.

Wer auf den Hof hinausgeht, kann schon mal in die absichtlich gestellte Fallen tappen. So kommt es öfter vor, dass weibliche Aufseher oder die Krankenschwester ausgerechnet in dieser Zeit dort entlang laufen müssen und die Gefangenen dem Anblick einer Frau durch jahrelangen Entzug nicht widerstehen können. Der eine oder andere Insasse beginnt zu onanieren, und welche Strafen das mit sich bringt, erwähnte ich bereits.

Nach einer Untersuchung im Krankenhaus musste mein Freund 6 Stunden warten, bis er abgeholt und wieder zurückgebracht wurde. Diese 6 Stunden musste er in einem kleinen verschlossenen Käfig an Händen und Füßen gefesselt, STEHEND verharren. Die Folge waren, Wassereinlagerungen in den Beinen, Taubheitsgefühl und Prickeln in den Händen – Gefahr einer erneuten Thrombose und wunde, blutige Handgelenke.

Mein Freund wollte in der ersten Woche ein paar Dinge, wie Toilettenpapier, Kuli, Uhr und Schreibpapier vom Kiosk kaufen, verpasste aber die sehr knapp bemessene Öffnungszeit von nur einer Stunde, an nur einem Tag in der Woche. Er meint, er war noch nie ohne Uhr und hasst es, die genaue Uhrzeit nicht zu wissen. In der zweiten Woche hat es zwar mit der Öffnungszeit geklappt aber die erste Frage der Kioskverantwortlichen war: „Wo ist deine I.D.-Card?“ – „Ohne I.D.-Card – kein Einkauf!“

Nein, er ist nicht wütend geworden. Mein Freund dachte sich das schon, aber jetzt muss er damit leben und er nimmt es einfach hin. Er sagt: „Ich will aus dieser „Irrenanstalt“ so schnell als möglich raus und verhalte mich ruhig. Ich verlange nichts und nehme auch nichts (auch keine Zigaretten mehr). Er geht nicht auf den Hof, um nicht in eine Situation zu geraten, welche ihn eher zurück – als vorwärtsbringt.

Der einzige Kontakt, den wir noch hatten, ist jetzt auch noch weg, weil er kein Briefpapier mehr hat. Der einzige Kuli wird auch bald kapitulieren, aber der tägliche Wahnsinn in der „Hundehütte“ geht weiter.

Es muss schon sehr viel passieren, bis ein Amerikaner von Gesetzesübertretungen, Menschenrechtsverletzungen und Verachtung der Menschenwürde herbeigeführt durch Erniedrigung, Folter, Qualen, Hungersnot, Schlafentzug, Prügel und Diskriminierung spricht.

Sollte mein Freund jemals wieder diesem Martyrium entkommen und ein freier Mann sein, will er den Vereinigten Staaten den Rücken kehren.

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Ich habe diesen Bericht vor allem in der Hoffnung verfasst, dass sich noch mehr Menschen unserem Kampf gegen die Todesstrafe und die unmenschlichen Bedingungen in den Gefängnissen anschließen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Monika K.

Über www.lancelot-armstrong.de

Nachrichtenblog der Initiative Hoffnung fürs Leben (IHfL) * www.ihfl.de * www.todesstrafe-info.de * www.lancelot-armstrong.de
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